Kapitel Vier


"Khiray!"

Verschlafen richtete sich der junge Fuchs im Bett auf. Die letzten Stunden hatte er sich unruhig hin und her gew�lzt, unf�hig, echte Ruhe zu finden, aber zu ersch�pft, um wirklich aufzuwachen.

"Ich komme gleich", gab er zur�ck.

"Beeil' dich. Wir haben schon Brot aufgeschnitten." Die tiefe Stimme konnte nur Onkel Farlin geh�ren. Saswins Bruder war das dritte und letzte Familienmitglied an Bord der 'Silbernen Ansicc'. Auch Khirays Mutter Ayashlee hatte einen Bruder gehabt, der f�r Saswin arbeitete, doch als Ayashlee in einem ungl�cklichen Unfall vor vielen Jahren starb, hatte er das Schiff verlassen, um sein Gl�ck anderswo zu suchen. Saswin hatte sich nie eine neue Lebenspartnerin gesucht; Khiray wu�te, da� er trotz all der Zeit noch immer um die sch�ne F�chsin trauerte.

Khiray b�rstete sich das Fell gr�ndlich und wusch sich den Schlaf aus den Augen. Men'schin mu�ten sich t�glich am ganzen K�rper waschen, da sie schwitzten; den meisten Rassen des Fellvolks gen�gte es, sich an kritischen Stellen mit Wasser zu reinigen und ansonsten die B�rste zu benutzen. Die Dauer der morgendlichen Hygiene unterschied sich dennoch nicht sehr; das dichte Fell und besonders die langen, leicht verfilzenden Haare des Schwanzes bedurften sorgf�ltiger Pflege. Kein Felliger, nicht einmal der �rmste, h�tte sich je mit filzigem Fell sehen lassen, es sei denn er w�re krank... anders als die Men'schin, bei denen die K�rperpflege mitunter nicht sehr hoch im Kurs stand.

Als er endlich den Speisesaal betrat, hatten die anderen schon ohne ihn das Fr�hst�ck begonnen. Von den zw�lf Mann, die die Besatzung der 'Silbernen Ansicc' stellten, waren nur f�nf augenblicklich anwesend: Saswin, Farlin, Delley, Frachtmeister Shooshun -- ein nicht mehr ganz junger Kater mit einer dicken Hornbrille und gestreiftem Fell -- und Khiray selbst. Die beiden Arbeiter und die zwei Seeleute, Delleys Assistent, der Koch und der Passagiersteward -- der mangels Passagieren meist f�r die Betreuung lebender Fracht zust�ndig war -- hatten f�r die Dauer des Aufenthalts Landurlaub und waren in aller Fr�he vom Schiff verschwunden.

"Ich habe bereits f�r einen Teil unserer eigenen Fracht Abnehmer gefunden, die die neuen Preise bezahlen", er�ffnete Saswin beim Essen. "Die Kunden, die ihre Fracht erwarten, m�ssen noch beliefert werden. Khiray, k�nntest du einen g�nstigen Karren leihen? Wir haben etliche S�cke mit Saatgut auf einen Hof zu schaffen."

Khiray nickte. "Ich mu� aber auch noch Pallys seine B�cher vorbeibringen. Die �berlasse ich keinem Tr�ger. Letztes Jahr haben sie sie fast in den Schlamm fallengelassen."

"Hast du einen Abnehmer f�r diese neuen Waffen?"

"Noch nicht. Vielleicht wird Galbren selbst sie kaufen wollen. Mit all den neuen Gardisten kann er zus�tzliche Waffen vielleicht brauchen."

Saswin runzelte die Stirn. "Sieh dich vor, wenn du mit Galbren Gesch�fte machst. Er zieht dir das Fell �ber die Ohren. Er war schon ein gerissener H�ndler, als er noch nicht Gouverneur war."

"Wir k�nnten die Waffen auch selbst behalten", mischte sich Delley ein. "Warum das Beste verkaufen? Auch wenn du sie noch so billig bekommen hast."

Khiray zuckte zusammen. Billig? Eine Nacht Schlafes hatte ihn dieser Handel schon gekostet -- und fast das Fell in der Kneipe am vergangenen Abend.

"Wir brauchen keine neuen Waffen", brummte Farlin. Er war ein sehr kr�ftiger und gro�er Fuchs; schwer gebaut, wenngleich nicht dick -- Khiray hatte in seinem ganzen Leben weder dicke F�chse noch dicke Otter gesehen. "Der Flu� ist hier oben nicht gerade voll von Piraten, wei�t du."

"Man kann nie genug Waffen haben", kicherte Delley.

"Ratten!" st�hnte Onkel Farlin.

Khiray h�rte den ewigen fr�hlichen Streitgespr�chen der beiden schon lange nicht mehr zu. Er dachte daran, wie er die Waffen am vorteilhaftesten weiterverkaufen konnte.

Und was die Fuchstauren gerade tun mochten...

Wieso nur mu�te er dauernd an die Fuchstauren denken? Das Gesch�ft war abgeschlossen. Es galt, Gewinn zu machen, sich den Profit zu sichern, den n�chsten Handel vorzubereiten. Er konnte beim Schnitzer vorbeischauen, ob irgendwelche interessante neue Erotika zu finden war -- f�r seinen speziellen Men'schin-Kunden in Hanmur. Es galt, die bestellte Ware auszuliefern, die Fracht den Kunden zu �bergeben und f�r die eigenen G�ter K�ufer zu finden. Das allein sollte sein Anliegen sein.

Aber Saljin -- Saljin von den Steinen -- besch�ftigte ihn mehr, als er freiwillig zugegeben h�tte. Was kauften die Fuchstauren von dem Geld, wenn sie nicht in Kneipen herumhingen? Warum machten sie sich die M�he, den langen Weg aus ihrer Heimat in den Armygan zu kommen?

Vielleicht konnte er noch einmal mit ihnen sprechen. Wenn er den richtigen Vorwand fand...

* * *

Handel unter den Felligen brauchte seine Zeit. Man besprach das Wetter, die Gesundheit der Kinder, die Qualit�t des Wassers und die neuesten Ger�chte, ehe man Waren und Gold auch nur erw�hnte. Dann trank man einen hei�en Tee -- eines der teuersten Getr�nke, da die Teebl�tter von den Men'schin stammten und jenseits der Lakenda-Berge angebaut wurden --, um sich gegenseitiger Wertsch�tzung zu versichern. Nur auf dem Markt wurden schnelle K�ufe get�tigt, wenn man Waren des t�glichen Bedarfs besorgen mu�te. Oder wenn man jemanden �bers Ohr hauen wollte.

Khiray kam an diesem Tag nicht mehr dazu, seine eigenen Dinge zu erledigen, und auch der folgende Tag war schon weit fortgeschritten, ehe er die bestellten B�cher zu Pallys dem Kaninchen bringen konnte. Die gro�en Mengen an Saatgut, Getreide, Baumwolle und getrockneten Fr�chten gingen vor. Eigentlich waren die Kleinigkeiten, mit denen Khiray seine Gesch�fte machte, typische Otter-Waren; B�cher jedoch geh�rten nicht dazu. Otter neigten dazu, mit Wasser ein wenig sorglos umzugehen, und h�tten die B�cher sicherlich verdorben.

Pallys war der Lehrer von Sookandil, l�nger, als Khiray sich zur�ckerinnern konnte. Im Armygan gab es keine Schulpflicht, dennoch waren die meisten Felligen bestrebt, ihren Kindern zumindest die Grundlagen des Rechnens, Lesens und Schreibens sowie Wissen �ber praktische Dinge wie Gesetze, Handel und Br�uche beizubringen. Drei Viertel der Kinder lernten diese Dinge bei Pallys, der daf�r ein kleines Entgelt oder Naturalien erhielt. Ein Teil der restlichen Kinder wurde von den Eltern unterrichtet, wie Khiray selbst: die st�ndigen Reisen an Bord der 'Silbernen Ansicc' hatten ihm nie erlaubt, bei Pallys in die Schule zu gehen.

Bei anderen Kindern war es die gro�e Entfernung von den H�fen zur Stadt oder das knappe Geld, das es ihnen nicht erlaubte, zu Pallys zu kommen (obgleich Pallys daf�r bekannt war, da� er auch ohne Gegenleistung schon unterrichtet hatte). Nur wenige Kinder in Sookandil erhielten �berhaupt keine Ausbildung, weil sie Geld zum Leben verdienen mu�ten und keine Zeit f�r etwas anderes hatten.

Unter den Men'schin wurde Schule strenger gehandhabt. Junge Men'schin mu�ten in jedem Fall eine Schule besuchen und dort weit mehr lernen als die Felligen. Im Armygan folgten die Kinder meist den Eltern in ihr Gesch�ft. Drei bis vier Jahre unterrichtete Pallys sie -- mit Unterbrechungen in der Erntezeit und nicht die ganze Woche lang, damit sie ihren Eltern helfen konnten --, dann wurden sie auf dem heimischen Hof oder im eigenen Gesch�ft angelernt. Mit zw�lf bis vierzehn Jahren wurden sie in die Lehre geschickt und kehrten dann als Gesellen oder Meister heim. Kinder, die das Gesch�ft der Eltern nicht weiterf�hren wollten oder konnten, lernten meist einen fremden Beruf.

Khiray hatte schon als Kind von seiner Mutter das Lesen und Schreiben gelernt sowie das Rechnen von seinem Vater. Seine Eltern und Onkel hatten ihm auch Geschichte und Gesetze, Zeichnen und Landeskunde beigebracht. Und Delley... nun, Delley hatte ihm Rattenwissen vermittelt, was Saswin und Ayashlee sicher nicht gern gesehen h�tten, wenn sie es gewu�t h�tten. Aber Delley war verschwiegen, und Khiray wu�te ebenso den Mund zu halten. Khiray lernte zu beobachten und zu erkennen, sich zu verstecken und zu tarnen, mit Vernunft zu trinken und zu fliehen und zu k�mpfen -- fair und unfair -- und Frauen Freude zu bereiten, lange ehe er sein erstes M�dchen in Drun'kaal hatte.

Nat�rlich war er keine Ratte und brachte Delley mit seinen Fuchs-Interpretationen von Rattenwissen oftmals zur Verzweiflung. Aber Delley war sein bester Freund geworden -- ein besserer Freund, als er an Land je gehabt hatte.

Doch Khirays Fernweh brachte einen gro�en Wissensdurst mit sich. In den St�dten der Men'schin erlernte Khiray die Sprache des Imperiums Dharwil und kaufte B�cher zu allen erdenklichen Themen. Auch durchforschte er jede neue Stadt im Armygan, die sie anliefen, nach B�chern. Was er gelernt hatte, war ihm nicht genug.

Es kostete ihn jedoch einige M�he, zwischen den erdachten Geschichten und den wirklichen Berichten zu unterscheiden, die er erwarb, und manchmal verwechselte er lebende Personen mit erfundenen. Was allerdings kein Wunder war: selbst sachkundige Autoren neigten dazu, Legenden und M�rchen in ihren B�chern mit aufzuf�hren und das Leben bekannter Herrscher und H�ndler mit viel Aufwand zu verbr�men, bis es den farbigen Geschichten der Sagen glich.

Khiray hatte Pallys erst sp�t kennengelernt, mit zw�lf Jahren. Von seinen Freunden an Land, die bei dem Kaninchen lernten, wu�te er, was Pallys unterrichtete. Er hielt die Themen f�r unter seiner W�rde. Er konnte sehr gut schreiben und war von seinem Vater bereits gr�ndlich in die Kunst des Handels eingef�hrt worden. Warum sollte er sich da mit einem �ltlichen Kaninchen abgeben, das m�hsam Kindern die Buchstaben beibrachte?

Saswin hatte ihn damals mit einigen B�chern zu Pallys geschickt. Der Lehrer bestellte gelegentlich neue Literatur in anderen St�dten; er selbst reiste schon lange nicht mehr. Als er Khiray die T�r �ffnete und ihn hereinbat, h�tte der Fuchs fast seine Lieferung fallengelassen.

Pallys besa� B�cher -- B�cher �ber B�cher. Mehr B�cher, als Khiray selbst in Buchhandlungen gesehen hatte. Die Wohnung des Kaninchens war voll von Folianten, Schriftrollen, gebundenen und gehefteten Seiten, riesigen Atlanten, kleinen Handb�chern, Lehrb�chern, Romanen und Novellen, alle sorgf�ltig geordnet und mit Zetteln voller Anmerkungen versehen. Die engen Zimmer wurden von Regalen eingenommen, wohin Khiray auch schaute.

"Hast du die alle gelesen?" fragte er ungl�ubig.

Pallys nickte langsam. "In einem langen Leben."

Khiray hatte damals nicht gewu�t, worauf Pallys anspielte. Erst viele Jahre sp�ter erfuhr er, warum Pallys' Ohren zerschunden und zerfetzt wirkten, warum er hinkte und woher die Narben unter seinem wei�en Fell stammten. Pallys war nicht immer Lehrer gewesen. Aber er hatte B�cher immer geliebt -- mehr als seine Freunde.

Von diesem Tag an war Khiray von Pallys fasziniert gewesen. Wenn das Kaninchen so viele B�cher besa�, dann mu�te es auch Dinge wissen, die �ber das Malen von Buchstaben hinausgingen. Er hatte viele Fragen gestellt und viele Antworten erhalten -- die zu noch mehr Fragen f�hrten.

Khiray war �lter und ein winziges bi�chen weiser geworden seither. Immer, wenn er in Sookandil war, pflegte er einige Zeit mit Pallys zu verbringen, und sie tauschten Gedanken und Erfahrungen aus. Khiray machte kein Geheimnis daraus, da� er sich nach der Fremde sehnte -- aber dies war das einzige Thema, �ber das Pallys nicht sprechen wollte.

Die Sonne ging bereits unter, als Khiray mit seinem Paket an Pallys' Haus ankam. Die Wohnung des Lehrers lag in einem alten, nicht besonders gut erhaltenen Geb�ude abseits der reichen Viertel. Lehrer wurden nicht besonders gut bezahlt, und Pallys' Gro�z�gigkeit, was sein Honorar anging, und seine Liebe zu B�chern verschlechterten seine Finanzen weiter.

Pallys �ffnete, ehe Khiray klopfen konnte. "Ich habe dich schon erwartet."

"Sch�n, dich wieder einmal zu sehen", sagte Khiray. Er konnte sich des Gef�hls nicht erwehren, da� Pallys den ganzen Tag hinter dem Fenster gestanden und auf seine B�cher gewartet hatte.

"Ihr seid sp�t dran."

Khiray seufzte und erz�hlte zum wiederholten Male von den defekten Kesseln. Pallys nickte bed�chtig zu jedem Wort, obgleich er von Maschinen nicht allzuviel verstand.

"Hast du es dir inzwischen �berlegt?" fragte er schlie�lich.

Khiray grinste. Es war ein alter Spruch zwischen ihnen -- nur halb ein Scherz. Pallys hatte ihm einmal den Vorschlag gemacht, doch eine Ausbildung an einer Universit�t zu beginnen. Gelehrte und Magier, Richter und hohe Beamte mu�ten an einer der gro�en Universit�ten studieren, und Pallys war der Meinung, da� Khiray zu H�herem berufen sei als zum H�ndler. Auch Galbren hatte an einer Universit�t studiert, wenn Khiray die Ger�chte richtig verstanden hatte. In Drun'kaal selbst... Der junge Fuchs beneidete ihn fast.

Aber nur fast. H�ndler zu sein erlaubte ihm immerhin Reisen in einem gewissen Ma�. Als Richter oder Gouverneur w�re er zeitlebens an einen Ort gebunden gewesen. Allein der Beruf des Magiers h�tte Khiray gereizt, aber die Anforderungen dort waren hoch, und er verstand auch noch gar nichts von der Magie. So weit abseits der gro�en St�dte gab es kaum einen Magier, bei dem er als Vorbereitung auf das Studium in die Lehre h�tte gehen k�nnen. Und au�erdem brauchte man als Magier ein gewisses Talent. Wie immer das aussehen mochte, Khiray war sich sicher, nie dergleichen in sich gesp�rt zu haben.

Nein, wenn er kein Reisender und Entdecker sein konnte, und wenn er nicht in der gro�en, aufregenden Stadt leben w�rde, dann war das Leben als H�ndler die n�chstbeste Option. Es war nicht das schlechteste Schicksal, selbst auf einer Route fern der Hauptstadt.

Pallys bot Khiray einen Sitz und Tee an, und eine Weile plauderten sie �ber dies und das, ehe das Gespr�ch unvermeidlich auf die Fuchstauren kam.

"Ich habe sie schon einmal gesehen", er�ffnete ihm Pallys. "Sie halten sich nie lange in den St�dten auf. Keiner wei� etwas Genaues �ber sie. Aber sie stellen sehr sch�ne Handarbeiten her."

"Und Waffen."

"Waffen?" Pallys hob eine Augenbraue und stellte die langen Ohren auf. "Ich habe nie geh�rt, da� sie besonders gute Waffen angeboten h�tten."

"Dann scheint das das erste Mal zu sein." Khiray reichte dem Kaninchen eines der Traummesser, die er erstanden hatte. Er trug es seit dem Vorfall in der Kneipe immer am G�rtel.

Pallys entdeckte die verborgene Klinge sofort. Die Sch�rfe und H�rte des Metalls �berraschten sogar ihn, und er kannte die hervorragende Bewaffnung der Drun'kaaler Soldaten.

"Trollstahl", erl�uterte Khiray.

"Wenn sie damals schon dergleichen gehabt h�tten, dann h�tte sich das sicher herumgesprochen." Pallys setzte das Messer wieder zusammen und gab es zur�ck.

"Vielleicht sind sie erst in diesen Jahren auf die Trolle gesto�en", mutma�te Khiray. "Ich w�rde sie fragen, aber..."

"Hm?" Pallys blickte auf und sah ihm scharf in die Augen. Er merkte sofort, wenn Khiray sich unbehaglich f�hlte.

So erz�hlte der Fuchs dem Kaninchen von den Waffen, die er gekauft hatte, dem Streit in der Kneipe und seinem Dilemma. "Ich m�chte niemanden betr�gen, aber ich kann die Waffen auch schlecht zur�ckgeben. Es w�rde so aussehen, als sei ich damit nicht zufrieden."

"Und du m�chtest das Gesch�ft gerne machen."

Khiray wand sich. "Ja."

"Du kannst ihnen einen Anteil am Profit einr�umen", entschied Pallys. "Eine Gewinnbeteiligung. Sch�tze, was die Waffen einbringen, und zahle die Fuchstauren damit aus."

Der Fuchs nickte heftig. "Ja. Das ist eine Idee."

"Und bis du die Waffen verkauft hast, kannst du jederzeit an ihren Stand und etwas anderes kaufen. Ich bin mir sicher, du kannst alles, was sie anbieten, zumindest zum selben Preis weiterverkaufen. Und du h�ttest einen Vorwand, um mit ihnen zu reden."

Khiray schalt sich einen Narren, da� er nicht selbst darauf gekommen war. Aber er mu�te sich eingestehen, da� er ein wenig Angst vor einem Wiedersehen hatte... vielleicht hatte er nur nicht daran denken wollen.

"Was h�ltst du von Galbren?" fragte das Kaninchen unvermittelt und ging daran, seine Pfeife mit W�rzkr�utern zu stopfen.

"Galbren?" Khiray dachte nur kurz nach. "Geschickter H�ndler. Guter Redner. Liebt die Macht."

"Was will er mit den neuen Garden?"

"Ich wei� nicht." Khiray teilte Pallys all seine Gedanken zu diesem Thema mit. Pallys nickte bed�chtig, sagte aber seinerseits kein Wort und weigerte sich, auf Khirays Fragen einzugehen. So verschlossen war Pallys dem jungen Fuchs noch nie begegnet.

Ahnte das Kaninchen etwas, das Khiray sich nicht einmal vorstellen konnte?

* * *

Es war zu sp�t, um noch zu den Fuchstauren zu gehen, als Khiray endlich Pallys' Haus verlie�. Die L�den hatten geschlossen, und es war nirgendwo mehr ein Gesch�ft zu machen. Saswin traf sich noch mit einem Kunden, und Delley arbeitete vermutlich die halbe Nacht an den Maschinen und wollte nicht gest�rt werden. Kurz, es gab f�r Khiray nichts zu tun.

Langsam wanderte er durch die Stadt, betrachtete hier und da eine Ver�nderung, einen Umbau, einen Abri�. Er w�nschte sich, Lysh w�re noch hier. Au�er ihr hatte er in Sookandil eigentlich keine echten Freunde mehr; der einzige, den er gerne wiedergesehen h�tte, war nicht in der Stadt, und ein anderer Bekannter hatte sich den Garden angeschlossen und war im Trainingslager -- aber das war ohnehin kein Freund, mit dem man eine klare, trockene, helle Nacht teilen konnte.

Er hatte die Grenzen der Stadt verlassen und war auf die weitl�ufigen Wiesen im Norden gelangt, ehe er sich entschieden hatte, was er tun konnte. B�ume s�umten den Weg in einer h�geligen Landschaft; die unbesetzten Weiden wiesen kleine Haine auf; der Mond beschien steinerne Mauern und alte h�lzerne Z�une. Eine Br�cke spann sich �ber einen leise pl�tschernden Flu�.

Auf einer Wiese standen zwei Fuchstauren. Sie waren zu weit entfernt, als da� Khiray sie erkannt h�tte. Der Fuchs sah sich um. Kein Felliger war zu sehen. Vorsichtig schlich er n�her, immer in der Deckung der B�ume. Er wu�te selbst nicht, warum er so vorsichtig war -- das war schlie�lich seine Stadt, nicht ihre.

Die Fuchstauren f�hrten Waffen mit sich. Es waren Dekka'shin, jene im Armygan unbekannten Doppelklingen-Lanzen. Khiray hatte die erworbenen Dekka'shin sorgf�ltig inspiziert. Sie bestanden aus einem dicken Holzstab und zwei schwert�hnlichen Klingen, die an beiden Enden des Stabes angebracht waren. Die Klingen waren leicht gekr�mmt und mit Aussparungen und Haken versehen.

Khiray wu�te nicht, wie man eine solche Waffe f�hren sollte -- sie war recht schwer, und die zwei Klingen schienen eher den Tr�ger zu bedrohen als einen Gegner.

Aber die Fuchstauren hantierten geschickt mit ihren Waffen. Sie lie�en sie �ber ihrem Kopf, vor ihrem K�rper und um sich herum kreisen. Ab und zu f�hrten sie einen stilisierten Angriff gegeneinander, um im letzten Moment die Waffen abzuwenden und aneinander vorbeizust�rmen.

Khiray erkannte nun Saljin und ihren Bruder Dek. Beide schienen wahre Meister dieser Waffe zu sein, denn schon nach wenigen Minuten waren ihre Bewegungen so schnell geworden, da� er ihnen nicht mehr folgen konnte. Nat�rlich hatten sie im Umgang mit den Dekka'shin einen Vorteil: sie besa�en vier Beine und hatten damit einen festeren Stand. Die schnelle Bewegung und Rotation der Klingenst�be konnte sie nicht aus dem Gleichgewicht bringen.

Aber dies schm�lerte die Leistung der Fuchstauren kaum. Die Pr�zision, mit der sie die Waffen f�hrten, war bewundernswert. Sie mu�ten ja nicht nur ihren Partner verfehlen, sondern auch sich selbst, und angesichts ihrer nach hinten gestreckten K�rper war es reine Kunst, da� sie mit intakten Schw�nzen aus dem Scheingefecht hervorgingen.

Pl�tzlich ruckte Deks Kopf herum, und die Augen des Fuchstauren richteten sich auf den stillen Beobachter. Dek stie� einen Schrei der Wut aus und begann, auf Khiray zuzust�rmen.

Khiray �berlegte eine Sekunde lang, ob er sich in Sicherheit bringen sollte. Der Fuchstaur konnte es nicht ernst meinen. Er konnte nicht erwarten, ungeschoren davonzukommen, wenn er einen B�rger Sookandils t�tete... und Khiray war Sookandiler, obgleich er auf dem Schiff lebte. Galbren w�rde ihn h�ngen lassen.

Aber Dek brach den Angriff nicht ab. In vollem Galopp, die Waffe angelegt, raste er weiter. Er �bersprang einen Zaun und war in Steinwurfweite, ehe Khiray seine Beine vom Boden l�sen konnte.

Irrsinn! Er dachte daran, wegzulaufen, aber der Fuchstaur konnte schneller rennen als er. Es mu�te ein Scheinangriff sein. Khiray hatte gesehen, wie Dek Saljin verfehlt hatte. Eine Mutprobe. Nichts weiter.

Deks Pfoten schienen den Boden zu ersch�ttern. Mondlicht troff von der Klinge wie Blut.

Khiray h�tte nicht rennen k�nnen -- selbst wenn er es gewollt h�tte.

Zentimeter vor seinem Gesicht durchschnitt die Klinge leere Luft. Khiray konnte den Zug an seiner Schnauze sp�ren. Dek rannte an ihm vorbei, drehte um, hieb ein weiteres Mal zu, und wieder sauste das Dekka'shin an seinem Fell vor�ber. H�tte er sich bewegt, h�tte die Waffe eine tiefe Wunde verursacht.

Entt�uscht hielt Dek inne und grunzte. "St�dter!"

Saljin erreichte die beiden und warf Dek eine Tasche zu. "Du verr�ckter Angeber! Du bringst Schande �ber den Stamm!" Sie f�gte noch etwas in einer musikalischen, singenden Sprache hinzu, was sich nichtsdestotrotz wie eine Beschimpfung anh�rte.

Gelassen fischte Dek aus seiner Tasche zwei Lederscheiden, streifte sie �ber die Klingen und trabte dann wortlos davon.

"Entschuldige bitte meinen Bruder." Saljin schlug die Augen nieder. "Er ist nicht ganz bei sich. Eine gute Tracht Pr�gel w�rde ihm guttun."

"Ich kann dir nicht widersprechen", seufzte Khiray. Noch ein Scheinangriff mehr, und er h�tte einen frischen Schurz ben�tigt. Es �berraschte ihn selbst, wie normal seine Stimme noch klang. "Ich habe eurem Kampfspiel zugesehen. Sehr beeindruckend. Ich glaube nicht, da� ein Zweibeiner die Dekka'shin so f�hren k�nnte."

Saljin musterte ihn von oben bis unten. "Vielleicht... vielleicht nicht. Es k�me auf einen Versuch an." Sie wandte sich zum Gehen.

Khiray r�usperte sich. "Morgen... morgen sehe ich noch einmal bei euch vorbei. Ich h�tte Interesse an... ein paar Skulpturen."

"Die Preise sind gestiegen in letzter Zeit", sagte Saljin.

Khiray zuckte die Achseln. "Ich bin H�ndler. Ich kann immer noch ein gutes Gesch�ft machen."

Saljin blickte ihn in einer Mischung aus Erheiterung und Abneigung an. "Das kann ich mir vorstellen." Dann trabte sie ihrem Bruder hinterher.

Khiray sch�ttelte den Kopf. Es sollte ihm eigentlich egal sein, was Saljin von ihm hielt, aber das war es nicht. Sie behandelte ihn absch�tzig, und das �rgerte ihn.

Warum nur? Er sah ihr nach -- bewunderte ihren gleichm��igen, t�nzerischen Trab, ihren wehenden Schweif -- und f�hlte sich angeekelt von sich selbst. Die Fuchstauren waren Fremde. Sie geh�rten nicht hierher. Sie waren fellig, aber keine Fellige; sie mochten teilweise wie F�chse aussehen, aber sie waren nur halbe Tiere. Jedenfalls an den Stellen, auf die es ankam. Wilde, die mit Waffen fuchtelten und versuchten, ehrliche B�rger einzusch�chtern.

Eine Welle des Zorns �berkam ihn. Dek sollte sich nur vorsehen! Dies waren zivilisierte Lande! Mit einiger Versp�tung brannte Kampfeslust in seinen Adern. Er holte tief Luft.

Das schwebende Aroma von Saljins Fell drang in seine N�stern. Widerstreitende Emotionen erfa�ten ihn. Die Fuchstaurin mochte ihn nicht. Dek mochte ihn nicht. Aber er f�hlte sich zu den Fuchstauren hingezogen. Sie repr�sentierten seinen Traum von der Ferne.

Und Saljin...

Verdammt, sie war ein Tier! Eine Wilde aus irgendeinem g�tterverlassenen Land ohne Zivilisation! Wahrscheinlich lebten die Fuchstauren noch in H�hlen...

Er ertappte sich dabei, wie er in der Luft schn�ffelte, als k�nnte er Saljin allein dadurch wieder heraufbeschw�ren. Hastig schlang er die Arme um seinen K�rper und lief den ganzen Weg zur�ck in die Stadt. Er machte einen Bogen um den Platz, wo die Fuchstauren ihren Stand aufgebaut hatten. Einen gro�en Bogen.

In dieser Nacht versuchte er, sich von der Spannung zu erleichtern, die sich in ihm aufgebaut hatte. Er dachte an Lysh und gemeinsame N�chte mit ihr... und was er tun w�rde, w�re sie hier... aber selbst in seiner Phantasie wurde Lysh zu Saljin, und sein Blick wanderte immer wieder zu der Statuette der Fuchstaurin. Und als er der Versuchung endlich nachgab, f�hlte er sich anschlie�end elend und matt.


Ende von Kapitel Vier